Wer fragt, gewinnt!
Simon Garrecht
veröffentlicht am 23.1.2024
Viele Menschen verwechseln Behauptungen mit Argumenten. Aber eine Meinung - egal wie überzeugt und emotional sie vertreten wird - ist kein Argument. Selbst dann nicht, wenn die Meinung von sehr schlauen Menschen geteilt wird oder als allgemeiner Konsens gilt. Wer etwas behauptet, muss das belegen, statt den anderen in der Bringschuld zu sehen, die Behauptung zu widerlegen. Viel zu oft lassen Christen uns auf eine solche Gesprächsgrundlage ein. Wenn wir mit Menschen über Glaubensthemen ins Gespräch kommen, empfiehlt es sich aber genauer nachzufragen, statt direkt in den Verteidigungsmodus zu wechseln.
Angenommen, jemand behauptet: „Die Bibel wurde verfälscht“. Statt direkt die Jesaja-Schriftrolle aus Qumran anzuführen oder Vergleiche zwischen den Manuskripten des Neuen Testaments und denen anderer zeitgenössischer antiker Werke anzustellen, geh erst mal einen Schritt zurück. Stelle Rückfragen und bringe den anderen dazu, sich zu erklären:
Wann wurde sie verfälscht? Wo wurde sie verfälscht? Warum wurde sie verfälscht? Von wem wurde sie verfälscht? Welche Lehren wurden verändert? Wie war das logistisch möglich, da die christlichen Kirchen ja weit verbreitet waren?
Wenn er Muslim oder Mormone ist: Hältst du Gott für so schwach, dass er nicht auf sein Wort aufpassen kann?
Wichtig ist es vor allem, die richtigen Fragen zu stellen. Nämlich solche, die dein Gegenüber dazu bringen, seine Sicht erklären zu müssen. Eine der besten Fragen ist dabei: Wie bist du zu dieser Schlussfolgerung gekommen?
Manchmal ist man in der Versuchung dem Gesprächspartner ausführlich all das vorzutragen, was einen vom christlichen Glauben überzeugt, oder was aus eigener Sicht gegen die Weltanschauung von ihm spricht. Doch ist das meistens gar nicht so sinnvoll. Wenn man den Gesprächspartner zum Nach- und Umdenken bringen und nicht nur eine Diskussion gewinnen möchte, ist es viel besser Fragen zu stellen, die ihn selbst zur Erkenntnis bringen. Indem du Fragen stellst, löst du bei deinem Gegenüber eher Aha-Momente aus, als wenn du ihm einfach deine Argumente vorträgst.
Ergebnisoffenheit des Gegenübers
Durch gezielte Fragen, kannst du dein Gegenüber dazu bringen, seine innere Offenheit ehrlich zu reflektieren.
“Wenn ich dir gute Indizien für die Existenz Gottes zeigen würde, würdest du dich davon überzeugen lassen?”
Viele, die mit einer hyperskeptischen Haltung behaupten, es gäbe keine Beweise für Gott, merken beim Beantworten dieser Frage, dass es in ihrem Denken überhaupt keine Kategorie gibt, in der Gott wirken könnte. Die offensichtlichste Gebetserhörung, das offensichtlichste Wunder, die stringentesten Argumentationsstränge, können immer auch als Zufall oder Illusion gewertet, oder in einen agnostischen Nebel des „Wir können es gar nicht wissen“ gesteckt werden.
“Wenn das Christentum wahr wäre, würdest du Christ werden?”
Erst kürzlich schrieb uns eine junge Ex-Evangelikale unter diese Frage bei Threads: „Nein, selbst wenn es wahr wäre. Finde den Gott der Bibel ziemlich sch****.“ Das ist der springende Punkt. Wenn jemand Gott nicht möchte, weil er sich nicht unter seine moralische Hoheit stellen will, dann kannst du die besten Argumente für die Glaubwürdigkeit der Bibel und die Existenz Gottes vorbringen, sie werden am anderen einfach abprallen.
“Was würde mit dir passieren, wenn du Christ werden würdest? Bist du offen dafür, dass der christliche Glaube wahr sein könnte, oder hättest du Angst davor, in deiner Community das Gesicht zu verlieren?”
Viele wissen ganz genau, dass sie von ihrer Familie, dem Partner oder dem Sportverein mit verwunderten, geschockten, spöttischen oder gar feindlichen Reaktionen rechnen muss, wenn man offen seinen Glauben an Jesus bekennen würde. In manchen Communitys muss man sogar mit seiner Sicherheit rechnen oder wird von der Familie verstoßen. Manche können mit einem auf einer sachlichen Ebene den lieben langen Tag über Gott, Glauben und die Bibel philosophieren, aber sind innerlich nicht bereit, sich wirklich auf Jesus einzulassen, weil sie um die Konsequenzen wissen.
Wie geht man damit um, wenn man Fragen gestellt bekommt, die man nicht beantworten kann?
Wie du schon mal nicht damit umgehen solltest ist, indem du versuchst auf alles Antworten zu geben, selbst wenn du dir selbst nicht sicher bist. Es ist fatal, wenn sich 12-Jährige übermotiviert mit etwas angelesenem Halbwissen in den Unterricht setzen, um mit ihrem studierten Lehrer über die Evolution zu argumentieren. Oder wenn Christen sich in einem Gespräch im Kreis drehen, aber nicht zugeben können, dass sie auf einen bestimmten Einwand gerade wirklich nichts erwidern können. Das lässt uns ideologisiert und verbohrt wirken.
Bleibe bei den Bereichen, in denen du dich sicher fühlst. „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Sagt man dazu im deutschen Volksmund. Kein Mensch ist gleichzeitig Bibelexperte, Naturwissenschaftler, Historiker und Philosoph. Es ist völlig in Ordnung, nicht auf jede kritische Rückfrage etwas erwidern zu können und du musst nicht so tun als ob du es könntest. Ganz konkret: Wenn du eine Frage zu deinem Glauben nicht beantworten kannst, dann bitte dein Gegenüber dir ein paar Tage Zeit zu geben. Oder Zeit zu geben bis ihr euch das nächste Mal seht, damit du dich bis dahin noch mal etwas besser zu der Thematik informieren kannst. Versuche nicht, aus dem Stand heraus mit Halbwissen zu argumentieren. Das wirkt so als würdest du stur auf deinem Punkt beharren, auch wenn du gerade kein überzeugendes Gegenargument liefern kannst. Du wirst dich nur außerdem nur im Kreis drehen und den anderen noch mehr in seiner Sicht bestärken.
Eine weitere wichtige Frage ist: „Was meinst du damit?“
Beispiel 1:
Atheist: „Ich glaube nicht an Gott“
Christ: Was meinst du mit „Gott“?
Atheist: „Ich glaube nicht an einen alten Mann mit Bart, der auf einer Wolke sitzt und uns als sein Ameisenexperiment betrachtet“
Christ: „Das ist gut, dann sind wir uns darin ja einig! Was ich nämlich glaube, ist…“
Beispiel 2:
Muslim: „Es ist Blasphemie zu sagen, dass Gott einen Sohn hat!“
Christ: „Was denkst du, meinen Christen, wenn sie sagen, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“
Muslim: „Na, dass Jesus durch einen Geschlechtsakt Gottes mit Maria gezeugt wurde. Das würde Gott nie tun!“
Christ: „Da stimme ich dir absolut zu. Das glauben wir Christen auch gar nicht. Was die Bibel meint, wenn sie Jesus als Sohn Gottes bezeichnet, ist…“
Beispiele wie diese lassen sich etliche anführen, aber ich denke, der Punkt ist klar. Dieselben Begriffe können von unterschiedlichen Personen mit ganz anderer Bedeutung gefüllt werden. Es ist möglich, dass deswegen beim anderen nicht ankommt, was du ihm sagen möchtest, darum wichtig, die Begriffe zu klären. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit Menschen aus anderen Religionen und christlichen Sekten ist darum sehr wichtig, genauer nachzufragen.