Schlichtes Wesen der Auferstehungsberichte als Argument für Jesu leeres Grab
Simon Garrecht
veröffentlicht am 3.7.2023
Um die Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Auferstehungsberichte einschätzen zu können, ist eine Gegenüberstellung mit außerbiblischen Auferstehungsvorstellungen und insbesondere apokryphem Material zielführend.
Auffallend ist hierbei die Schlichtheit der Evangelien und das Fehlen apologetischer Motive, wenn von der Entdeckung des leeren Grabes berichtet wird.
Insbesondere bei dem ältesten Bericht, dem Evangelium von Markus, ist dies der Fall. Zwar sind die späteren Evangelien um einige Details erweitert, die wir bei Markus nicht finden, doch sind dies keine Details, welche die Berichte zu spektakulären Sagen umformen. So wird hier, mit Verzicht auf spektakuläre Schilderungen des genauen Vorganges der Himmelfahrt Jesu, sein leeres Grab durch eine Gruppe von Frauen vorgefunden, welche anschließend durch einen jungen Mann mit weißem Gewand über die Auferstehung Jesu unterrichtet werden (Mk 16,1-8). Im direkten Vergleich mit apokryphen Darstellungen der Auferstehung Jesu, fällt hier die schlichte Erzählweise auf, die auf jegliche künstliche Ausschmückungen verzichtet. Deutlich anders lesen sich die zeitgenössischen apokryphen Berichte. So beschreibt das im 2. Jahrhundert verfasste Petrusevangelium, die Situation wesentlich spektakulärer:
35. In der Nacht aber, in welcher der Herrntag aufleuchtete, als die Soldaten, jede Ablösung zu zweit, Wache standen, erscholl eine laute Stimme im Himmel, 36. und sie sahen die Himmel geöffnet und zwei Männer in einem großen Lichtglanz von dort herniedersteigen und sich dem Grabe nähern. ... 39. Und während sie erzählten, was sie gesehen hatten, sehen sie wiederum drei Männer aus dem Grabe herauskommen und die zwei den einen stützen und ein Kreuz ihnen folgen 40. und das Haupt der zwei bis zum Himmel reichen, dasjenige des von ihnen an der Hand Geführten aber die Himmel überragen. 41. Und sie hörten eine Stimme aus den Himmeln rufen: "Hast du den Entschlafenen gepredigt?", 42. und es wurde vom Kreuze her die Antwort laut: "Ja."
Die Andersartigkeit des Berichtes fällt hier wahrnehmbar auf, denn weder in den Evangelien noch in den neutestamentlichen Briefen wird behauptet, dass der Auferstehung Jesu Augenzeugen beigewohnt haben. Während das Petrusevangelium Jesu Körper als „die Himmel überragend“ beschreibt, erzählt uns der johannäische Bericht, dass Maria Magdalena den ihr erschienenen Jesus nicht erkannt und gar für einen Gärtner hielt (Joh 20,14-15). Weder alttestamentliche Belegtexte, noch theologische Erklärungen der geschilderten Handlungen werden angegeben, stattdessen ein schlicht erscheinender Bericht einer Gruppe von Frauen, die an einem Sonntagmorgen das leere Grab vorfindet. Selbst die Engelserscheinungen werden in den Evangelien mit Ausnahme des Matthäischen Berichts eher schlicht weitergegeben. Die neutestamentlichen Quellen verzichten auf jegliche übertreibende Darstellung und lesen sich als relativ schlichte Schilderung der Ereignisse. Das nimmt ihnen den mythenhaften Charakter zeitgenössischer Berichte und verleiht ihnen einen glaubwürdigen Anstrich.
Für die Schreiber des Neuen Testaments wäre es einfach gewesen, ihren Berichten Hinzufügungen anzuhängen, in denen die Auferstehung Jesu in genauer Weise geschildert oder beobachtet wird. Von einem mythologischen Bericht wäre dies regelrecht zu erwarten, da dies bei den Erstlesern- und Hörern einen spektakuläreren Effekt hätte. Dass alle Evangelisten ehrlich berichten, dass die aufgeführten Zeugen „nur“ das leere Grab angetroffen haben, erhöht die Glaubwürdigkeit ihrer Darstellungen (Lapide 1977:54). Die Grabesberichte behaupten nicht, die Auferstehung als solche wäre von Zeugen beobachtet worden, was zu erwarten wäre, wenn sie lediglich Erfindungen gewesen wären. Dieser Verzicht auf in den Berichten aufgeführte Augenzeugen der Auferstehung Jesu, steigert ihre Glaubwürdigkeit. Obwohl in allen neutestamentlichen Evangelien recht ausführlich beschrieben, wird das leere Grab dennoch von keinem der Evangelisten als apologetisches Argument genutzt, um damit die Auferstehung Jesu zu beweisen.
Während Matthäus in seinem Evangelium insgesamt 13 Mal in apologetischer Weise aufführt, in welchen Ereignissen rund um das Leben Jesu und in welchen seiner Taten, er eine Erfüllung alttestamentlicher Prophetien sieht (z.b. Mt 1,22; 2,15; 13,35; 26,56), bleibt dies in seinem Osterbericht aus. Selbst in dem johannäischen Osterbericht, gibt es trotz Erwähnung von Kenntnis solcher (Joh 20,9) keine aufgeführten oder auch nur angedeuteten alttestamentlichen Schriftstellen zur Bekräftigung der Auferstehungsereignisse (Wright 2014:729). Gerade bei dem Johannesevangelium, als dem jüngsten aller vier kanonischen Evangelien, wäre dies aber zu erwarten, wären, wie von verschiedener Seite behauptet wird, Grabesgeschichte und Ostergeschehen über die Jahrzehnte ausgedehnt worden (Reiser 2017:162). Auch Paulus nutzt das leere Grab in seiner Beweisführung für die Auferstehung in 1. Kor 15,1-11 nicht als Argument, sondern zählt stattdessen eine Reihe von Zeugen auf, denen der Auferstandene erschienen ist. Das leere Grab scheint viel mehr als selbstverständlich vorausgesetzt zu werden und durch die bezeugten Erscheinungen erklärt und gedeutet.
Literaturverzeichnis:
Lapide, Pinchas E. (1977): Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis. Stuttgart: Calwer Verlag. München: Kösel.
Reiser, Marius (2017): Kritische Geschichte der Jesusforschung. Von Kelso und Origenes bis heute. 2. Auflage. Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH.
Wright, Nicholas Thomas (2014): Die Auferstehung des Sohnes Gottes (= Die Ursprünge des Christentums und die Frage nach Gott. Bd. 3). Marburg: Francke.