Nur Christ wegen Wohnort und Familie?!

avatar

Simon Garrecht
veröffentlicht am 26.1.2024

Image

Manche Atheisten zeigen auf gläubige Menschen und sagen: „Du glaubst doch nur, was du glaubst, weil du in einer christlichen Umgebung aufgewachsen bist! Wärst du in Saudi-Arabien geboren, wärst du Muslim und nicht Christ!"

Selbst wenn das der Fall sein sollte, gilt festzuhalten: Welche Weltanschauung (ob religiös oder nicht religiös) durch unser soziales Umfeld begünstigt wird, sagt nichts über deren Wahrheit oder Unwahrheit aus. Jeder Mensch wächst innerhalb einer bestimmten Kultur und Familie auf, in der bestimmte weltanschaulichen Überzeugungen stärker vertreten oder vorherrschend sind. Das kann eine politische Überzeugung sein, eine religiöse oder eine, die mit Ernährung zu tun hat. In China, Skandinavien oder dem postkommunistischen Ostdeutschland ist die Wahrscheinlichkeit höher, in einem eher atheistischen Umfeld aufzuwachsen.

Ich habe schon mit manchen überzeugten ostdeutschen Atheisten gesprochen, aber ich habe noch keinen getroffen, der auf die Idee kam zu sagen, er wäre nur deshalb Atheist, weil dies durch sein sozio-kulturelles Umfeld begünstigt wurde. Wendet man diese Logik konsequent an, dann hieße das, man könnte von seiner Weltanschauung nur dann überzeugt sein, wenn diese ganz neu auf dem Markt ist. Sobald jemand von seinen Eltern oder seinem sozialen Umfeld von einer bestimmten politischen Richtung, Religion oder Philosophie geprägt wurde, könne er seine Überzeugung nicht mehr wirklich selbstbewusst vertreten. Denn vielleicht glaubt er ja nur, was er glaubt, weil dies seiner Prägung entspricht.

Aber so eine Denkweise ist weder lebbar noch logisch. Ja, es stimmt: Jeder wird von verschiedenen Weltanschauungen geprägt. Doch sagt aber nichts über die Wahrheit oder Unwahrheit von dieser aus. Es ist ja auch möglich, gerade an dem Ort oder in der Familie aufzuwachsen, wo einem die richtige Weltanschauung vermittelt wird. Und selbst wenn jemand nur deswegen eine Glaubensüberzeugung hat, weil er sie von seinen Eltern o.a. vermittelt bekommen hat, ohne diese nachzuprüfen (was leider auch bei vielen Christen der Fall ist) - dann sagt das in keiner Weise etwas darüber aus, ob das, was ihm beigebracht wurde, wahr oder falsch ist. Es heißt nur, dass er es blind glaubt. Aber kann ja auch blind an etwas glauben, das wahr ist.

Mein Vorschlag:

Statt Leuten vorzuwerfen, sie glauben nur, weil ihre Eltern Christen sind, sollte man sich lieber inhaltlich mit dem auseinandersetzen, was sie zu sagen haben. Also auf einer sachlichen und faktischen Ebene, statt im Bereich der Hobbypsychologie.  Außerdem hat die Aussage eine gewisse Doppelmoral! Denn der, der so etwas sagt, wendet das wahrscheinlich nicht auf sich selbst an, aber man kann diese Logik genauso gut auch umdrehen. Kinder, die in einer christlich geprägten Kultur groß werden, neigen eher dazu, Christen zu werden, das stimmt. Aber genauso stimmt es auch andersherum, dass Kinder, die in einer atheistisch geprägten Kultur groß werden, eher dazu neigen, Atheisten zu werden. Menschen, die in einer pluralistischen Kultur aufgewachsen sind und davon ausgehen, dass alle Religionen doch eigentlich im Kern das Gleiche glauben, würden höchstwahrscheinlich auch nicht so denken, wenn sie in einer islamischen oder buddhistischen Kultur aufgewachsen wären.

Letztlich kann man diesen Vorwurf auf jeden Menschen anwenden, ganz egal welche Weltanschauung jemand hat. Man kann genauso gut sagen: „Du bist doch nur Atheist, weil du von einem Umfeld geprägt wurdest, in dem der Glaube an Gott keine Rolle spielt …“ Wenn man so will, kann man die Ansicht, dass es keinen Gott gibt, auch eine gesellschaftliche Prägung sehen, die Menschen verstärkt in der westlichen Welt haben. Was manchmal vergessen wird, ist, dass Religion global gesehen auf dem Vormarsch ist.

Wir sehen also - wenn jemand diesen Einwand gegenüber einer gläubigen Person anführt, aber selbst aus einer nicht religiösen Familie kommt, schneidet er sich mit der Aussage selbst ins Bein. Und wenn er aus einem religiösen Umfeld kommt, dann ist er damit der lebende Gegenbeweis für seine Aussage, weil er selbst heute an was anderes glaubt, als an die Weltanschauung, mit der seine Familie oder die Menschen an seinem Wohnort ihn geprägt haben. Jeder, der in einem mehrheitlich christlichen Land aufgewachsen ist und Atheist geworden ist, ist ein lebendiger Gegenbeweis solch einer Aussage. In einem Land aufgewachsen zu sein, das mehrheitlich einer Religion angehört, heißt nicht zwingend, dass man sich für diese Religion entscheiden muss. Genauso gehört man auch nicht aufgrund der familiären Prägung zwingend einer bestimmten Religion, politischen Richtung o. Ä. an. Ja - es gibt soziale Zwänge und eine innere Voreingenommenheit. Doch letztlich gilt das für uns alle, nicht nur für Christen. Wir alle haben kulturelle, weltanschauliche und familiäre Vorprägungen. Keiner von uns ist ein unbeschriebenes Blatt. Und keiner von uns ist in der Lage, seine Vorprägungen einfach abzustellen. Das müssen wir aber auch gar nicht, um selbstkritisch zu unseren Überzeugungen zu gelangen.

Wir alle stehen vor derselben Herausforderung: Ergebnisoffen und wahrheitsliebend durchs Leben zu gehen. Dabei das Gute und Richtige zu bewahren, das uns von unserem Umfeld vermittelt wurde. Aber auch den Mut zu besitzen, neue Sichtweisen anzunehmen, die zu unseren bisherigen im Widerspruch stehen, wenn wir diese als wahr erkannt haben. Es ist nicht fair, so zu tun, als hätten ausschließlich religiöse Menschen eine Voreingenommenheit. Wir alle haben eine. Was wir machen können, ist uns ihrer bewusst zu werden, aber abschalten kann sie keiner.

Jesus, wie er sich uns in der Bibel präsentiert, lädt uns nicht dazu ein, blind an ihn zu glauben,  einfach nur, weil es uns von unseren Eltern oder unserer Kultur vermittelt wurde. Im Gegenteil - Wenn er Menschen dazu einlädt, ihm nachzufolgen, fordert er sie ja gerade dazu heraus, die Denk- und Lebensweise des eigenen Umfeldes kritisch zu hinterfragen. Er lädt uns ein, Gott mit unserem ganzen Herzen, unserer ganzen Seele und unserem Verstand zu lieben (Mt 23,37). Ja, es gibt Christen, die das nicht tun und nur deshalb kirchlich aktiv sind, weil sie so erzogen worden sind. Aber Christen, die die Aussagen von Jesus ernst nehmen, glauben nicht nur an Jesus, weil sie halt das machen, was ihnen beigebracht und vorgelebt wurde, sondern weil Sie wissen, was dafür spricht, dass dieser Gott real ist.