Der Gott der Zahlen
Dave Krohn
veröffentlicht am 11.6.2024
“Mathematik ist das Alphabet, mit dem Gott das Universum geschrieben hat.”
- Galileo Galilei
Überall ist Mathe!
Jeder gute Mathelehrer sag seinen Schülern mindestens einmal: "Die ganze Welt ist Mathematik!" Das führt dann meist zu epileptisch anmutendem Augenverdrehen und genervtem Stöhnen, aber so ganz Unrecht haben diese Lehrer ja nicht: Überall in dieser Welt finden wir mathematische Gesetze. Der ein oder andere könnte dabei die Frage stellen: warum eigentlich?
Die Frage ist es wert, genauer betrachtet zu werden. Man könnte sie auch so formulieren: Warum befinden wir uns in einer Welt, die sich an mathematischen Gesetzmäßigkeiten hält? Warum gibt es physikalische Konstanten? Woher kommen diese Dinge, wenn sich bereits die Entstehung dieses Universums nach ebendiesen Regeln und Konstanten richten musste? Es gäbe die mögliche Vorstellung, dass die Realität chaotisch ist: keine festgelegten Gesetze, sondern randomisierter Wirrwarr. Oder gar keine Bewegung an sich.
Das anthropische Prinzip
Das Gegenargument hierzu nennt sich das anthropische Prinzip. Das gibt es in zwei Formen: das starke und das schwache Prinzip. Beide beinhalten folgende Gedanken: Wir können ja nur über diese Fragen nachdenken, weil wir in einem Universum leben, das zufällig gesetzmäßig ist. Wäre dem nicht so, dann käme auch nie der Gedanke auf, warum das so ist. Das Argument setzt also eine gezwungene Brücke zwischen der Beschaffenheit dieses Universums und unseren Gedanken.
Stephen Hawking sieht beispielsweise eine Notwendigkeit in der Beschaffenheit dieses Universums, und selbst wenn es Gott geben sollte, so wäre er gezwungen gewesen, das Universum genauso wie es ist zu erschaffen.1 Obwohl er den Gottesbegriff noch nennt, nutzen viele andere das anthropische Prinzip, um ein Schöpfer-Argument auszuhebeln – durch den Zufall bräuchte es keinen Gott als Erklärung mehr. Doch greift dieses Argument?
Alles nur Zufall?
Die Frage nach der Beschaffenheit dieses Universums tritt ja deswegen auf, weil es uns so unglaublich gut abgestimmt erscheint. Nun ist die Erklärung, dass dies dem Zufall geschuldet ist, eine mögliche Hypothese. Aber ist sie die plausibelste?
In der Stochastik – also dem mathematischen Fachbereich, der sich mit Wahrscheinlichkeiten beschäftigt – redet man oft von günstigen Ereignissen. Von diesen berechnet man üblicherweise die Wahrscheinlichkeit. Nehmen wir an, wir spielen ein Spiel mit 30 Würfeln. Ich behaupte: Das günstige Ereignis ist 30 Sechsen. Wir werfen einmal alle Würfel gleichzeitig. Plötzlich liegen da 30 Würfel, die alle eine Sechs zeigen. Was wäre deine Reaktion darauf? Ich vermute: Du würdest mich des Schummelns bezichtigen. Zurecht! Bei einem einzigen Wurf ist dieses Ereignis unwahrscheinlich. Möglich, aber unwahrscheinlich.
Nehmen wir an, es gibt nur eine Realität (wir haben keinen Grund aus wissenschaftlicher Sicht, vom Gegenteil auszugehen). Dann gibt es quasi nur einen „Versuch“. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Universum entsteht, das stabil ist und Leben begünstigt, geht gehen 0. Warum also wird der Zufall als die plausibelste Erklärung für dieses Universum herangezogen? Alles spricht für einen beeinflussenden Geist, der dieses Universum hat entstehen lassen.
Regeln und Gesetze
Selbst wenn wir das Universum dem Zufall zuschreiben, erklärt dies noch nicht, warum es überhaupt Mathematik in diesem Universum gibt. Interessanterweise liegt in der Geschichte der Mathematik ein starker Einfluss des Christentums. Thomas Bradwardine war beispielsweise einer der ersten Wissenschaftler, der einen Versuch unternahm, dieses Universum mit den Regeln der Mathematik darzustellen. Er war zudem Theologe, am Ende seines Lebens sogar Erzbischof. Für viele passen diese beiden Tätigkeiten nicht zusammen. Doch es ist Fakt, dass viele Wissenschaftler deshalb ein geordnetes, gesetzmäßiges Universum erwarteten, weil sie an Gott glaubten. Faraday, Newton, Maxwell und viele weitere zeigen dies. Wieder stellt sich hier die Frage: Was ist denn die beste Erklärung für diese Realität eines gesetzmäßigen Universums und der Existenz von Mathematik? Eine zufällige, sinnlose Welt ist vorstellbar, ja. Aber weist der Fakt, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, darauf hin? Oder zeugt dies nicht eher von einem brillanten Geist?
Deutungsfrage
Mathematik ist kein strikter Beweis für die Existenz Gottes, aber ein Indiz! Wie bereits vorher genannt: Die Erklärung des Zufalls ist eine mögliche Erklärung. Sie ist möglich, aber unwahrscheinlich. Deshalb zeigt sich: Es geht tatsächlich um eine Deutungsfrage. Wie man mit dem Fakt eines fein abgestimmten Universums umgeht, ist oft keine rationale Frage, sondern eine bereits beschlossene Sache: Wer in seinem Herzen die Möglichkeit eines Gottes ablehnt, der wird sich auch von der Mathematik nicht überzeugen lassen. Wer bereits erkannt hat, dass es einen wunderbaren Schöpfergott gibt, den führt die Mathematik in ein Staunen gegenüber diesem Gott (oder wenigstens zum Nachdenken mit bleibendem Hass auf alles, was dem Mathe-Unterricht ähnelt). Was ist, wenn du diese Entscheidung noch nicht getroffen hast, ob du an Gott glauben kannst? Dann sieht dir die Fakten an. Suche – und treffe eine Entscheidung.
Quellen
1 Vgl. Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit. Rowohlt. Hamburg 2020. S. 236f
2 Vgl. Paul Davies: The Goldilocks Enigma. Penguin. London 2006. S. 8