Das (gar nicht so schwierige) Verhältnis zwischen Glauben und Wissenschaft
Dave Krohn
veröffentlicht am 17.7.2023
Dass wir Menschen die Welt heute besser verstehen als in der Vergangenheit, hat nicht dazu geführt, dass Gott plötzlich überflüssig geworden ist. Ganz im Gegenteil, die Existenz von Naturgesetzen deutet auf deren Gesetzgeber hin. Als Christen glauben wir nicht an einen „Gott der Lücke“, den wir als Erklärung für die Dinge bräuchten, für die es noch keine wissenschaftliche gibt. Vielmehr ist es so, dass wir mit zunehmendem Verständnis unserer Welt, noch viel mehr Indizien in der Hand haben, die auf einen Schöpfer hinweisen. Naturwissenschaft ersetzt Theologie nicht. Ganz einfach deshalb, weil sie ganz andere Fragestellungen im Blick hat.
Gravitation erklärt die Bewegung der Planeten, aber sie kann nicht erklären, wer die Planeten in Bewegung gesetzt hat.
- Isaac Newton
Verstanden werden muss folgendes: Die Naturwissenschaft beschreibt die Natur und stellt Möglichkeiten zur Nutzung der natürlichen Ressourcen dar. Sie sagt zunächst nichts über Gott, Wunder, Übernatürliches oder Metaphysisches aus. Wir leben in einer interessanten Zeit der Menschheitsgeschichte. Noch nie wusste der Mensch so viel über die Natur und den Kosmos. Und noch nie haben so viele Menschen den Glauben vertreten, dass es außerhalb dieses Kosmos nichts gibt.
Die Fülle an Wissen macht für manche Menschen Gott überflüssig. Gott ist eben nicht mehr die naheliegendste Erklärung für Donner, Bauchschmerzen oder Träume. Wir wissen, wie vieles funktioniert und abläuft und sehen, dass es zwar Gesetzmäßigkeiten gibt - diese funktionieren jedoch, ohne dass wir Gott dabei bei der Arbeit zuschauen können.
Das „Wie“ der Gesetzmäßigkeiten in unserer Welt besser erforscht zu haben, erklärt aber noch nicht das „Woher“. Die wissenschaftlich entdeckten und erforschten Gesetzmäßigkeiten machen mehr denn je einen dahinter stehenden Gesetzgeber -Gott- plausibel.
Was viele nicht einsehen ist, dass die grundlegenden Fragen nicht geklärt sind. Warum existiert nicht nichts? Woher wissen wir, was richtig und falsch ist, gut und böse? Warum haben wir Menschen ein Bewusstsein und unterscheiden uns so stark von den restlichen Bewohnern dieses Planeten? Was ist überhaupt unser Bewusstsein und unser Geist? Ja, Donner ist vermutlich nicht der Zornesschrei eines Gottes. Diese Frage stand aber noch nie im Zentrum von einer Religion, erst recht nicht des Christentums.
Wer ehrlich ist, erkennt in unserer Wissensfülle nicht die Abwesenheit von Gott, sondern die Anwesenheit von Komplexität und Staunenswertem. Wissenschaft führt nicht weg von Gott. Sie führt den Menschen in den Zustand eines Staunenden und im nächsten Folgeschritt hin zu einem den Schöpfer bestaunenden. Die heutige Wissenschaft macht den Gottesgedanken plausibel und nachvollziehbar und gibt uns positive Indizien für einen ewigen Schöpfer-Gott. Die neuen Erkenntnisse der Physik im letzten Jahrhundert waren immens! Vom Urknall bis zu Quantenphysik, Quarks und der Heisenbergschen Unschärferelation - vieles, was man jahrelang glaubte, wurde über den Haufen geworfen.
Keine dieser Erkenntnisse war auch nur annähernd ein Schritt in die Richtung, Gott wegzuerklären. Im Gegenteil: Der Urknall bestätigt, was Christen seit Jahrtausenden glauben (einen Anfang des Universums), die Plancksche Konstante zeigt, dass all unsere Beobachtungen zu keinem sicheren Wissen führen können, etc etc. Anstatt, dass die Physik Gott entbehrlich macht, erhöht sie das Staunen gegenüber diesem komplexen, unerfassbaren Kosmos.
Naturwissenschaft kann Gott nicht wegerklären. Erst wenn Ideologien mit ins Spiel kommen, können wissenschaftliche Ergebnisse in dieser Richtung interpretiert werden. Natürlich kann man behaupten, durch die schier endlose Anzahl von Planeten seien wir Menschen unbedeutend. Das ist dann aber keine Wissenschaft mehr. Was, wenn wir die einzigen vernunftbegabten Wesen in diesem Universum sind? Solange diese Dinge nicht geklärt sind, sagt diese Art von Wissenschaft rein gar nichts über Gott aus.
Wissenschaft schickt uns auf eine Suche nach mehr. Doch diese Suche endet mit unserem Verstand und unseren Möglichkeiten. Gott zu entdecken ist jedoch etwas, das nicht an Kompetenzen und Intelligenz gebunden ist. Er begegnete den Menschen und offenbarte sich allen: den Gebildeten und Ungebildeten, den Gesunden und Kranken, den Armen und Reichen. Als Jesus Christus kam er und sagte: Ihr könnt mich kennenlernen – wenn ihr mich wirklich sucht.
Dass viele Wissenschaftler im Laufe der Geschichte gläubige Menschen waren, ist vielen nicht bekannt. Doch wie kann man Glaube und Wissenschaft vereinen?
Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott.
- Werner Heisenberg
Am Anfang der Naturwissenschaft stehen immer Axiome - das sind Grundaussagen, die nicht formal bewiesen werden können. Ein Axiom in der Mathematik ist beispielsweise die Existenz der 0 - einer additiv neutralen Zahl. Ob diese Zahl existiert, kann ich nicht beweisen. Sie ist eine Grundidee, die aus einer gewissen Intuition gepaart mit Gedanken und Beobachtung kommt. Während dieses Axiom entscheidend für die Mathematik ist, sind es andere nicht: Dass wir nicht glauben, in einer Matrix zu leben, beeinflusst nicht die naturwissenschaftlichen Wahrnehmungen. Und genauso ist es auch mit dem Axiom der Christen, dass Gott existiert. Ob Gott existiert, sagt nichts über naturwissenschaftliche Beobachtungen aus.
Doch der Mensch stellt nicht nur Fragen, die die Natur betreffen. "Warum existiert nicht, nichts?" - Das ist keine naturwissenschaftliche Frage, und doch eine wichtige. Was ist der Sinn meines Lebens? Wie kann ich das Leid dieser Welt erklären und ertragen? Was ist richtig und falsch? All diese Fragen - und mehr - gehen über die Naturwissenschaft hinaus. Deshalb kommen noch heute viele Wissenschaftler zum Glauben an Gott: Weil sie anfangen, auch diesen Fragen nachzugehen. Dabei müssen sie ihre Methodik verlassen.
Glauben und Wissenschaft sind kein Widerspruch. Wie ich die Wissenschaft wahrnehme, wird dadurch bestimmt, welches Ziel in meinem Herzen ist. Für uns Christen ist die Wissenschaft ein Zeugnis der unglaublichen, komplexen Schöpfung Gottes! Wissenschaft ist etwas Großartiges! Dass wir diese Ansicht vertreten ist hoffentlich offensichtlich.
Doch Wissenschaft ist Methode - und nicht Ziel.
(Natur-)Wissenschaft wird aus unterschiedlichen Gründen betrieben. Für den einen ist es die Möglichkeit, das Leben angenehmer und effektiver zu gestalten. Für den anderen ist es der Wunsch, sich selbst und seine Umwelt besser zu verstehen. Ein anderer möchte diese Welt kreativ formen, wieder ein anderer Menschen helfen. Vielleicht dient es auch dem ein oder anderen für eine tiefere Suche nach Wahrheit. Die (Natur-)Wissenschaft an sich hat nicht den Anspruch die Realität zu verändern, sondern zu entdecken und die Erkenntnisse über sie effektiv zu nutzen.
Was passiert, wenn Fragen offen bleiben, die nicht so leicht zu lösen sind? Was, wenn sich Erkenntnisse ändern? Hier zeigt sich, ob wir bereit sind, unseren tiefsten Kern zu sehen: Was suche ich wirklich? Frank Turek sagt, eine der ersten Fragen, die er in Gesprächen stellt, ist: "Würdest du Christ werden, wenn das Christentum die Wahrheit wäre?" Warum stellt er diese Frage? Weil die innere Motivation eine große Rolle spielt: Suche ich Wahrheit oder suche ich Bestätigung? In der Geschichte der Wissenschaft haben sich schon viele Erkenntnisse geändert - und das war für viele Menschen eine schwer zu schluckende Pille.
Jeden von uns betrifft dieses Grundproblem - natürlich auch uns Christen. Wird meine Kirche zur einzigen möglichen Form von Kirche, weil ich es nur so kenne? Sagt mein Pastor die einzige Wahrheit, weil ich ihn so gerne mag? Ist meine Art der Bibelauslegung korrekt? Jeder Erkenntnisbereich hat seine Methodik: Naturwissenschaft hat Empirie, Philosophie hat Sprache, Mathematik Logik etc. Doch diese Methoden haben jeweils Grenzen des Erkenntnisgewinns.
Die beste Methodik der Wahrheitssuche ist ein ehrliches Herz. Daraus entspringt ein offener Geist und ein offener Verstand. Nur mit einem ehrlichen Herzen kann ich Methoden und Erkenntnisse annehmen und verwerfen. Und dieses Herz, das nach Wahrheit sucht, ist der Schlüssel, um Gott zu finden.