Das Design-Argument für die Existenz Gottes

Jonathan Preitnacher
veröffentlicht am 11.6.2025

Einleitung
Das sogenannte Argument der Feinabstimmung, auch bekannt als teleologisches Argument, basiert auf der Beobachtung, dass die fundamentalen Naturkonstanten unseres Universums mit außergewöhnlicher Präzision abgestimmt sind. Selbst geringfügige Abweichungen dieser Konstanten hätten gravierende Konsequenzen für die Struktur und Eigenschaften des Universums: Weder Sterne noch Planeten könnten entstehen, grundlegende chemische Reaktionen wären unmöglich, und Leben, wie wir es kennen, würde nicht existieren. Für ein atheistisch geprägtes Weltbild, das dem Universum keinen inhärenten Sinn zuschreibt, stellt diese Feinabstimmung eine erhebliche Herausforderung dar, da ihr Auftreten unter solchen Prämissen höchst unwahrscheinlich erscheint. Aus der Sicht eines theistischen Weltbildes hingegen ist die Präzision der Feinabstimmung erwartbar und fügt sich harmonisch in die Annahme eines Schöpfers ein.
Die Grundidee des Arguments der Feinabstimmung ist alt. Bereits im antiken Griechenland diskutierte Platon (in Timaeus, 28a–29b) über einen göttlichen Handwerker (Demiurgen), der das Universum in Ordnung brachte. Später betonte auch der Apostel Paulus (Römer 1,20), dass Gottes unsichtbare Eigenschaften in der Schöpfung deutlich zu erkennen seien. Auch unter Atheisten gilt im Allgemeinen das teleologische Argument als das stärkste Argument für die Existenz Gottes. Richard Dawkins bezeichnet es als „nahe an einem guten Argument“, und Christopher Hitchens nannte es das stärkste Argument der Theisten.
Das Argument der Feinabstimmung
Man kann das Argument der Feinabstimmung in zwei Hauptaspekte unterteilen:
- Die Feinabstimmung der Naturkonstanten
- die Feinabstimmung der Anfangsbedingungen des Universums
Im Folgenden werden beide Formen der Feinabstimmung näher erläutert.
Feinabstimmung der Naturkonstanten
Die Feinabstimmung der Naturkonstanten beschreibt die präzise Justierung jener Konstanten, die die grundlegenden Eigenschaften unseres Universums bestimmen. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die Gravitationskonstante und die kosmologische Konstante. Bereits geringste Abweichungen dieser Werte würden dazu führen, dass das Universum, wie wir es kennen, nicht existieren könnte – und somit auch kein Leben möglich wäre.
Wichtig ist zu verstehen, dass sich das Argument der Feinabstimmung ausdrücklich auf unser Universum mit seinen spezifischen Naturgesetzen bezieht. Es stellt die Frage, warum gerade in diesem Universum mit diesen Gesetzen die Konstanten so präzise auf die Entstehung von Leben abgestimmt sind. Darüber hinaus behauptet das Argument der Feinabstimmung nicht, dass das gesamte Universum optimal für die Entstehung von Leben gestaltet ist. Vielmehr geht es darum, dass unter den unzähligen denkbaren Universen die Wahrscheinlichkeit, eines zu erhalten, in dem Leben möglich ist, äußerst gering erscheint.
Finetuning der Anfangsbedingungen des Universums
Ein zentraler Aspekt des Arguments der Feinabstimmung – beziehungsweise des teleologischen Arguments – betrifft die Anfangsbedingungen unseres Universums, insbesondere den Begriff der Entropie. In der Physik beschreibt Entropie vereinfacht den Grad der „Unordnung“ oder die Anzahl möglicher Mikrozustände in einem System. Unser Universum entstand in einem Zustand außergewöhnlich niedriger Entropie, was entscheidend dafür war, dass sich später Strukturen wie Galaxien, Sterne und Planeten entwickeln konnten – also genau jene Voraussetzungen, die die Entstehung von Leben überhaupt möglich machen. Wäre die Entropie zu Beginn höher gewesen, hätte sich die Bildung solcher Strukturen nicht vollziehen können.
Unabhängige Evidenzen und Beispiele
In Tabelle 1 (siehe unten) sind einige Beispiele für die Feinabstimmungen des Universums aufgeführt. Sie verdeutlicht, wie präzise die Naturkonstanten eingestellt sein müssen, damit das Universum Bedingungen bietet, die Leben ermöglichen. Auffällig ist, dass es sich dabei um extrem geringe Wahrscheinlichkeiten handelt. Besonders hervorzuheben ist der Entropiewert, der mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa in einem lebensfreundlichen Bereich liegt – eine Zahl, die jede menschliche Vorstellungskraft weit übersteigt.
Erklärungsmodelle des Arguments der Feinabstimmung
Laut William Lane Craig lassen sich die Erklärungen für das beobachtete Phänomen im Wesentlichen in drei Kategorien unterteilen:
- Zufall: Die Feinabstimmung geschah rein zufällig.
- Notwendigkeit: Die Lebensfreundlichkeit unseres Universums ist eine unvermeidliche Folge grundlegender physikalischer Gesetze oder noch unbekannter Prinzipien.
- Design: Die Feinabstimmung weist auf einen intelligenten Urheber oder eine übernatürliche Ursache hin.
Der Zufall als unbefriedigende Erklärung
Ein häufiger Einwand gegen das Argument der Feinabstimmung ist die Annahme, dass unser Universum trotz extrem niedriger Wahrscheinlichkeiten rein zufällig lebensfreundliche Bedingungen erfüllt. Doch „Zufall“ ist weder eine intuitive noch eine philosophisch überzeugende Erklärung. In keinem anderen Bereich würden wir derart geringe Wahrscheinlichkeiten einfach so akzeptieren.
Um diese Schwierigkeit zu umgehen, wird gelegentlich das sogenannte „schwache anthropische Prinzip“ angeführt. Dieses besagt, dass wir nur deshalb hier sind, um über die Feinabstimmung nachzudenken, weil der entsprechende unwahrscheinliche Zufall bereits eingetreten ist. Das Prinzip beschreibt also lediglich unsere Beobachtungsperspektive: Wir existieren in einem Universum, das Leben ermöglicht. Es erklärt jedoch nicht die eigentliche Kernfrage, warum das Universum gerade so beschaffen ist, dass Leben überhaupt entstehen kann. Statt eine wirkliche Erklärung zu liefern, macht das Prinzip vielmehr deutlich, dass es notwendig ist, die tieferliegenden Ursachen dieser Feinabstimmung zu erforschen.
Wie unzureichend eine solche Argumentation ist, verdeutlicht Richard Swinburne mit einem anschaulichen Beispiel: Stellen wir uns vor, eine Gruppe von Scharfschützen feuert aus nächster Nähe auf uns, doch alle verfehlen ihr Ziel. Würde es uns wirklich zufriedenstellen, wenn jemand dies einfach damit erklärt, dass es gar nicht verwunderlich sei, da wir sonst gar nicht mehr hier wären, um uns darüber zu wundern? Natürlich nicht. Wir würden stattdessen nach einer Ursache suchen.
Ein weiteres Beispiel unterstreicht diesen Punkt: Angenommen, jemand gewinnt zehn Jahre in Folge den Hauptgewinn im Lotto. Niemand von uns würde ernsthaft behaupten, dass dies keiner weiteren Erklärung bedarf, nur weil diese Person regelmäßig Lotto spielt. Vielmehr würden wir nach einer tiefergehenden Ursache suchen, sei es Betrug, Manipulation oder ein bislang unbekannter Mechanismus
Aus demselben Grund sollten wir auch die Feinabstimmung des Universums nicht einfach als Zufall abtun, sondern nach einer überzeugenden Erklärung suchen, die über die bloße Annahme eines glücklichen Zufalls hinausgeht.
Die Viele-Welten-Hypothese als alternative Erklärung
Ein weiterer Versuch, die Feinabstimmung mit dem Zufall zu erklären ist die Viele-Welten-Hypothese, eine Interpretation der Quantenmechanik. Sie besagt, dass bei jeder quantenmechanischen Wechselwirkung unendlich viele Paralleluniversen entstehen könnten, von denen jedes leicht unterschiedliche Naturkonstanten aufweist. In dieser unendlichen Vielfalt an Universen ist es folglich nicht überraschend, dass ein lebensfreundliches Universum dabei ist, nämlich das, in dem wir uns befinden.
Wenn mal außer Acht gelassen wird, dass sich diese Theorie nicht empirisch beweisen lässt und damit auch nicht überprüft werden kann, folgen weitere wesentliche Einwände gegen eine derartige Hypothese:
- Beliebige Zufälle: Eine solche Theorie die nahezu unendlich viele Universen zulassen würde, könnte jeden, selbst äußerst unwahrscheinliche Ereignis, im Alltag erklären, würde jedoch üblicherweise niemals in Betracht gezogen oder gar als Erklärung akzeptiert werden. Nehmen wir beispielsweise wieder an, eine Person gewinnt zehn Jahre in Folge jedes Jahr den Hauptgewinn im Lotto. Wäre es hierbei überzeugend dies als bloßen Zufall abzutun, indem man annimmt, dass dieses Ereignis in unendlich vielen Universen zwangsläufig irgendwo eintreten muss? Die Frage beantwortet sich von selbst. Wird aber bei gleichermaßen unwahrscheinlichen Ereignissen die Annahme eines Gottes als Erklärung herangezogen, wird argumentiert, dass eine unendliche Anzahl von Universen das vermeintliche Feintuning unseres Universums erklären könne. Dabei stellt sich die Frage, ob tatsächlich eine objektive Wahrheitsfindung im Vordergrund steht oder ob die Antwort bereits vorgefertigt ist und lediglich eine Rechtfertigung gesucht wird.
- Wahrscheinlichkeit lebensfreundlicher Universen: Es wäre viel wahrscheinlicher, dass wir ein Universum erleben oder beobachten würden, das nur an wenigen Stellen oder nur für kurze Zeit halbwegs geordnet ist – anstatt in einem durchgängig optimal konfigurierten Kosmos.
Damit stellt sich erneut die Frage: Warum leben wir ausgerechnet in einem so unwahrscheinlich durchgängig feinabgestimmten Universum? - Feinabstimmung der Universumsproduktionsmechanismen: Die „Universumsproduktionsmaschine“, die all diese Universen hervorbringen soll, müsste ihrerseits feinabgestimmt sein, um überhaupt so viele verschiedene Universen erzeugen zu können. Dies führt erneut zur Frage nach dem Warum – und untergräbt die Zufallserklärung.
Notwendigkeit durch eine "Weltformel"?
Manche Physiker hoffen, dass es eines Tages eine umfassende Theorie – oft als „Weltformel“ bezeichnet – geben könnte, die alle vier Grundkräfte (Gravitation, schwache Wechselwirkung, starke Wechselwirkung und Elektromagnetismus) zu einer einzigen Theorie vereint. Beispiele für mögliche Kandidaten sind die M-Theorie oder die Superstringtheorie.
Doch selbst wenn eine solche Theorie gefunden würde, wäre damit nicht automatisch alles erklärt. Die M-Theorie etwa könnte eine Vielzahl möglicher Universen zulassen, die zwar alle denselben Naturgesetzen gehorchen, aber ganz unterschiedliche Konstellationen von Konstanten aufweisen. Die Frage stellt sich also immer noch: Warum existiert ausgerechnet das Universum mit genau den Naturkonstanten, das Leben erlaubt – anstatt eines der unendlich vielen anderen, die lebensfeindlich wären?
Design – Ein intelligenter Schöpfer als plausibelste Erklärung
Die Feinabstimmung des Universums erscheint am besten erklärbar durch die Existenz eines intelligenten Designers oder Schöpfers. Intuitiv drängt sich diese Erklärung geradezu auf, da wir aus Erfahrung wissen, dass hochkomplexe, präzise abgestimmte Systeme stets auf eine intelligente Ursache hinweisen. Die Annahme eines Schöpfers ist daher nicht nur die unmittelbarste, sondern letztlich auch die plausibelste Antwort auf die Frage, warum das Universum so außergewöhnlich lebensfreundlich eingerichtet ist.
Fazit
Die vorangegangenen Abschnitte führen zu einem klassischen Argument, das die Feinabstimmung des Universums folgendermaßen strukturiert:
- Prämisse 1: Die Feinabstimmung der Anfangsbedingungen des Universums ist entweder auf Naturgesetze, Zufall oder Design zurückzuführen.
- Prämisse 2: Die Feinabstimmung kann weder allein durch Notwendigkeit noch durch Zufall erklärt werden, da beide Alternativen entweder unzureichend oder unwahrscheinlich sind.
- Schlussfolgerung: Daher muss die Feinabstimmung auf ein intelligentes Design zurückzuführen sein.